KULTURFOLGER
Der Mensch beeinflusst seit Jahrtausenden die Artenvielfalt seines Lebensraums. Während der Jungsteinzeit, dem Neolithikum vor etwa 7.500 Jahren, begannen auch auf dem Gebiet von Baden-Württemberg aus dem Nahen Osten eingewanderte Menschen die Landschaft zu verändern. Wälder wurden gerodet und Flächen für die Landwirtschaft geschaffen. Diese ersten Bauern führten auch domestizierte Tiere und Pflanzen ein. Von dieser Landschaftsveränderung haben viele Arten offener Lebensräume profitiert. Später brachte die Ausdehnung des Römischen Reiches durch Handel und Anbau viele neue Arten nach Mitteleuropa.
Die ersten Bauern brachten Getreidesorten wie Emmer, Einkorn und Gerste mit. Die Getreidehalme wurden mit einer Sichel geerntet und die Körner anschließend auf einem Stein gemahlen. Der daraus zubereitete Getreidebrei war eine wichtige Nahrungsgrundlage der Menschen zu dieser Zeit.
Als Viehhalter führten die Bauern auch domestizierte Tiere wie Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe ein. Die Wildformen dieser Tiere und der Nutzpflanzen stammen aus dem „fruchtbaren Halbmond“, der Region vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf.
Viele Wildkräuter wie Klatschmohn und Kornblume wurden als Saatgutverunreinigungen oder im Fell der Weidetiere in neue Gebiete gebracht.
Mit der zunehmenden Vorratshaltung schlossen sich Kulturfolger wie Schaben, Kornkäfer und die Hausmaus dem Menschen an.
Etwa um 300 v. Chr. stieg die Temperatur in Mitteleuropa an. Dadurch wurden die Alpenpässe zeitweise eisfrei. Dies begünstigte die Ausdehnung des Römischen Reiches nach Norden, das bald auch fast das ganze Gebiet des heutigen Baden-Württembergs miteinschloss. Die Römer brachten viele neue Kulturpflanzen wie Salat, Zwiebeln und Knoblauch, aber auch Obstbäume wie Pfirsich, Pflaume oder Walnuss mit. Auch den heute vielfach in Baden-Württemberg und der Pfalz angebauten Wein verdanken wir den Römern. Tiere wie Fasan oder Damwild wurden zur Erweiterung des Speiseplans nach Europa eingeführt. Die Anlage von Gemüse- und Obstgärten und Weinbergen sowie die Weidewirtschaft mit der Nutzung von Wiesen zur Heugewinnung erhöhte nicht nur die landschaftliche, sondern auch die biologische Vielfalt.
Wo Menschen leben, verändern sich Landschaft und Artenvielfalt. Für manche Arten bringt das menschliche Handeln Vorteile. Sie finden Unterschlupf und Nahrung in Häusern und Scheunen oder profitieren von den landwirtschaftlichen Flächen. Solche Arten werden als Kulturfolger bezeichnet.
Einige von ihnen schlossen sich schon früh dem Menschen an, wie zum Beispiel das Heimchen, das in gemäßigten Breiten an menschliche Behausungen gebunden ist. Der Weißstorch als Nutznießer von Wiesen und Äckern verlegte irgendwann seine Horste von Bäumen auf die Dächer von Häusern.
Auch Hamster und Rebhuhn haben ursprünglich vom Futterangebot der Ackerflächen profitiert. In heutiger Zeit sind diese Arten jedoch wegen der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht.